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Interview mit Swissinfo (August 2004)

1. Teil: CICB

Die Organisation Swissinfo führte ein ausgedehntes Interview mit Thomas Baumer durch und erstellte eine ausführliche Beschreibung des ‚CICB Center of Intercultural Competence' in den folgenden Sprachen: deutsch, englisch, französisch und italienisch. Teile des Interviews wurden im Schweizer Radio International ausgestrahlt.

Ein Kurzinterview führte der Hessische Rundfunk durch.


2. Teil: Fachbereiche

Nonverbale Kommunikation

Von aussergewöhnlicher Wichtigkeit in jeder Form der Interaktion ist die nonverbale Kommunikation. Folgende Formen können unterschieden werden:
- Kinesics (Körpersprache)
- Proxemics (Raum, Distanz)
- Orientierungswinkel (Winkel, in dem man zu einer anderen Person steht)
- äussere Erscheinung (einschliesslich Kleidung und Schmuck)
- Haltung, Stehen, Sitzen u. Ä. (englisch: posture)
- Kopfbewegungen
- Gestik
- Blickkontakte
- Paralinguistik (Sprechintensität, Sprachweise, Lautstärke etc.)

Die Erscheinungsformen nonverbaler Kommunikation sind in hohem Masse kulturell geprägt und überformt - eine identische Form kann in verschiedenen Kulturen etwas Verschiedenes, manchmal sogar Gegensätzliches bedeuten. Beispielsweise das Lachen wird in den meisten westeuropäischen Ländern mit Witz und Fröhlichkeit gedeutet, während es in Japan oft Anzeichen von Verwirrung, Unsicherheit oder Verlegenheit ist (das japanische Lächeln nach dem amerikanischen Zornausbruch dürfte so zu unbeabsichtigten Missverständnissen führen).

Verhaltensweisen: Ebenso verbietet es der Respekt in asiatischen Kulturen (insbesondere den Frauen), anderen direkt in die Augen zu sehen, während der Blickkontakt in westlichen Kulturen als Grundwert des Anstandes empfunden wird. Ein intensiver, starker Blickkontakt ist in arabischen Ländern, im Mittelmeerraum, im romanischen Europa und in Lateinamerika üblich; ein fester bis gemässigter Blickkontakt in West- und Nordeuropa, Korea und Thailand; ein indirekter Blickkontakt im grössten Teil Asiens.

Wenn ein Japaner auf seine Nase zeigt, meint er sich selbst, analog der entsprechenden Handbewegung des „Westlers" auf seine Brust. Auf jemanden mit dem Zeigefinger zu zeigen, gilt in ganz Ost- und Südostasien als sehr unhöflich - stattdessen benutze man die offene Hand: flach mit der Handfläche nach unten in Japan, zusammengezogen mit dem Daumen nach oben in den meisten anderen asiatischen Ländern. Man kann auch mit dem Kinn in die gewünschte Richtung deuten, oder am einfachsten in die Richtung blicken, in die man weisen will. Mit dem Zeigefinder heranwinken - in Europa und Nordamerika durchaus üblich - wird in ganz Asien nur gegenüber Hunden und Prostituierten verwendet; höflicher ist ein wiederholtes Fächeln mit der rechten Hand. Das Tippen mit dem Zeigefinger an den eigenen Kopf bedeutet in Frankreich, Italien und Deutschland „Sie sind ein Idiot", in Spanien „Ich bin doch clever". In den Niederlanden bedeutet es - wenn mit hochgestelltem Zeigefinger die rechte Seite des Kopfes angetippt wird - „Sie sind sehr klug", jedoch wenn der horizontale Finger die Stirn berührt, „Sie sind ein Idiot".

Zeichensprache: Der Daumen nach oben bedeutet in Lateinamerika, vor allem in Brasilien „Alles klar", und wird dort oft und gern gezeigt. In Mitteleuropa bedeutet dies einfach die Zahl „eins", während es für Muslime ein grobes sexuelles Zeichen darstellt (Geschlechtsverkehr, Vergewaltigung).

Das „Victory"- oder „Peace"-Zeichen (Zeige- und Mittelfinger nach oben) hat diese Bedeutung nur, wenn die Handfläche nach aussen (von sich weg) zeigt. Das gleiche Zeichen mit der Handfläche nach innen entspricht dem Mittelfinger nach oben und gilt fast überall als vulgär (Aufforderung zum Geschlechtsverkehr, Betrogener resp. „gehörnter" Sexualpartner oder Ausdruck stärkster Geringschätzung, ähnlich wie das Schlagen mit der rechten Hand auf den erhobenen linken Unterarm).

Grosse Vorsicht ist auch beim „alles OK" - Zeichen (die zu einem Kreis zusammengehaltenen Daumen und Zeigefinger) geboten: Während es bei Piloten und Tauchern als „alles klar" gilt, bedeutet es für Japaner „jetzt können wir über Geld reden", im Süden Frankreichs das Gegenteil, nämlich „nichts, wertlos" - auf der Iberischen Halbinsel, in weiten Teilen Lateinamerikas, in Osteuropa und Russland bedeutet es jedoch teilweise eine sehr vulgäre sexuelle Geste (Aufforderung zum Analverkehr).

Das Händeschütteln hat sich mittlerweile weltweit als Zeichen des Begrüssens und Abschieds durchgesetzt, ausser in China, wo es, wenn überhaupt, nur sehr zögerlich und kurz, oft von einem eher unangenehmen Gefühl begleitet, „gewährt" wird. Als „Kontakt-Kulturen" im asiatischen Raum gelten dafür Inder und Pakistani, die einander relativ häufig berühren, dichter beieinander stehen, Blickkontakt suchen und auch lauter miteinander sprechen. Weniger solche Kontakte wünschen dagegen die Nordeuropäer.

Sprechgewohnheiten: US-Amerikaner sprechen gerne lauter und stören sich nicht, wenn andere mithören (da sie auch nichts verbergen möchten), während Engländer es sehr gut verstehen, ihr Sprechen akustisch direkt auf den Partner auszurichten. Im europäischen Raum differiert die Sprechgeschwindigkeit stark zwischen den Finnen (bedächtig) und romanischen Völkern. Vielreden (USA, arabischer Sprachraum) steht der Wortkargheit bis hin zum Schweigen gegenüber in Japan, wo dem Schweigen zwischen den Wörtern entscheidende, sogar im den Worten entgegengesetzten Sinne, Bedeutung zukommen kann. Langes Schweigen wird dort durchaus als behaglich empfunden, während dies in Europa und Nordamerika bald zu Unsicherheit und Verlegenheit führt.

Ausdrucksformen: in Indien bedeutet das Kopfschütteln „ja", ganz im Gegensatz zur entsprechenden westlichen Interpretation, und die Stimme geht am Ende einer Frage (in der Hindi-Sprache) nach unten - wenn ein Inder also Englisch spricht und analog seiner Muttersprache intoniert, erscheint die Frage dem Engländer sehr rüde (was natürlich absolut nicht so gemeint war).

Kopfnicken bedeutet im europäischen Kulturkreis generell „ja", doch im Vorderen Orient wird unterschieden zwischen Kopfnicken nach unten, was Zustimmung bedeutet, und Kopfnicken nach oben, was Verneinung oder Ablehnung bedeutet.

Das Hochziehen der Augenbrauen bedeutet für Nordamerikaner Interesse und Überraschung, für Briten Skepsis, für Deutsche „Sie sind aber clever", für Filippinos „Hallo", für Araber „Nein" und für Chinesen Ablehnung.

„Blau sein" bedeutet für einen Engländer, dass er melancholisch ist, und für einen Deutschen, dass er betrunken ist, während das Betrunkensein vom Amerikaner als „black" bezeichnet wird.

Im arabischen Kulturkreis sitzt man viel auf dem Boden; dem Gesprächspartner die Schuhsohlen zu zeigen, ist jedoch nicht nur eine Unhöflichkeit, sondern geradezu eine Beleidigung.

Die linke Hand gilt bei Muslimen, Hindus und Buddhisten als unrein (Toiletten sind oft nur mit einem Wasserhahn, nicht aber Toilettenpapier ausgerüstet), daher ist es zu vermeiden, jemanden mit der linken Hand zu berühren oder etwas mit der linken Hand zu übergeben. Das Dilemma, dass im asiatischen Raum ein Geschenk oder die Visitenkarte immer mit beiden Händen übergeben werden muss, kann im hinduistischen oder buddhistischen Kulturkreis damit umgangen werden, indem das jeweilige Objekt mit der rechten Hand übergeben wird, während die linke Hand den rechten Ellbogen stützt: auf diese Weise sind beide Arme beteiligt - und zeigen den Respekt -, während nur die rechte (saubere) Hand das zu übergebende Objekt berührt.

In buddhistischen Kulturen sollte einem Kind nicht über den Kopf gestrichen werden, da nach der dortigen Glaubensauffassung die Seele eines Kindes im Kopf sitzt; diesen zu berühren, könnte die Seele beschädigen.

Menschen, die in zwei oder mehreren Kulturkreisen leben oder lebten, passen ihre Körpersprache oft auch der verbalen Sprache an, verhalten sich also unterschiedlich, je nachdem, welche Sprache sie sprechen. Diese Einfühlungs- resp. Assimilationsfähigkeit kann im interkulturellen Kontakt erlernt werden.